2023

Das kleinste Element

Ein großes Projekt, das ich über mehrere Winter hinweg betrieben habe, besteht aus einer Sammlung von Karteikarten. Ich hatte im Zuge einer großen Ausstellung im Oktober 2021 einen Vortrag über Bienen & Kunst gehalten (Babylonische Sprachverwirrung). Es ist das Spannungsfeld, in dem sich meine künstlerische Arbeit bewegt. In dem Vortrag geht es um die Kommunikation der Bienen mit uns Menschen. Doch schon während ich daran schrieb, engte mich dessen Rahmen ein. Ich erwischte mich dauernd, wie ich mich vor dem Rechner herum drückte und den Text kürzte und umschrieb. Selbst spät abends vor dem betreffenden Tag saß ich noch dran.

Ein paar Tage später, als ich meine Unzufriedenheit zu ergründen versuchte, kam mir der Einfall, einen Vortrag bis auf seine einzelnen Bausteine, auf das atomos, die Antike nennt es: das kleinste Element, herunter zu brechen. Dadurch kann ich ihn gemäß dem Bedarf umformen. Ich begann, einzelne Karteikarten anzulegen: Bienenkunde, Interviews mit Künstlern, Pflanzenkunde, diverse Schriftsteller, Systemtheorie, Klimafragen und inzwischen gibt es sogar noch ein paar Karten über Pilze. (Es gibt übrigens auch eine Abteilung, worin es hauptsächlich um das neue dreistufige Erklärungsmodell zur Bienenverständigung geht. Darin wird auch die Tanzsprache neu bewertet.) Mittlerweile ist das Ganze auf etwa 2000 Karteikarten angewachsen, aber die Anzahl ist natürlich nicht begrenzt. Ich ging zunächst einfach alle Bücher durch, die bei mir im Regal stehen, sowie einiges, das ich im Netz fand, und entnahm einzelne Stücke. Dazu kommen natürlich eigene Texte. Letztlich fälle ich ein subjektives Urteil. Was ich für wichtig halte.

Zusätzlich müssen eigene Sätze auch die Funktion haben, die starren Elemente wie Gelenke zu verbinden. Kupplungsstücke.

Über Bienen gibt es inzwischen haufenweise Bücher, daraus kann man gar nicht genug zitieren, aber ich wollte es auch nicht übertreiben und beschränkte mich auf ein paar populäre Themen wie beispielsweise den Bautrieb oder das Stechen.

Nicht vergessen werden darf die Pflanzenkunde. Die stand für mich am Anfang. Sie kam in meiner persönlichen Entwicklung vor den Bienen und sie hängt allgemein mit ihnen eng zusammen. Das Eine kann ohne das Andere nicht existieren. Der pflanzenkundliche Teil ist noch im Aufbau. Aber genau darum handelt es sich: um eine dynamische Kartei, und ich muss mich als so etwas wie einen DJ verstehen. Pflanzenkundliches kann ich präsentieren zu Klee, Veilchen und Orchideen. Zu mehr bin ich noch nicht gekommen.

Wie findet die Biene die Blume?

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Gelber als Gold

Gemeinschaftsausstellung in der Galerie ERES-Projekte, München

Der Galerieraum, in dem die Ausstellung stattfand, liegt im Museumsviertel, direkt gegenüber des Museums Brandhorst, auf der anderen Straßenseite im Erdgeschoß eines Wohnhauses, das Sep Ruf errichtet hat. Dort befinden sich mehrere Galeriedependancen versetzt zueinander. Sie wirken wie Schubladen mit gläsernen Fronten, die von unten in ein Puppenhaus geschoben sind. Ein Freund, der Architekt ist, hatte in diesem Haus gewohnt und er war nicht glücklich gewesen, als man ihnen den Museumsklotz mit seiner stumpfen Architektur vor die Nase gesetzt hatte.

Den ganzen Sommer über fand ein so genanntes FlowerPower-Festival in München statt. Die regionale Bewegung trägt den albernen Untertitel: München im Blütenrausch. Daran gliederten sich eine Menge Galerien an. Aber nichts davon ist provokant. Mir war nicht klar, was man mit den amerikanischen Sechzigerjahren, auf die sich der Titel bezieht, hier erreichen wollte. Es fühlte sich an wie das Revival eines Revivals eines Revivals, ein zu oft und über Kontinente hinweg wiederbelebter Körper. Es kam mir vor wie eine Schlange, die man daran gehindert hatte, sich zu häuten.

Und ich dachte an das Wattstax-Festival aus dem Jahr 1972, bei dem Isaac Hayes, der an jenem Tag seinen dreißigsten Geburtstag beging, und Rufus Thomas, Carla Thomas, die Staple-Singers, die Bar-Kays und viele andere inmitten eines Sportstadiums in Los Angeles auf einer Bühne standen. Reverend Jesse Jackson kündigte die Sänger an. Dieses Benefiz-Konzert bezog sich auf die Unruhen in der Afro-Amerikanischen Gemeinde in Watts im Jahr 1965. Die Plattenfirma Stax-Records hatte dafür ihre Berühmtheiten versammelt.

Es gibt einen wichtigen Dokumentarfilm darüber. Er beginnt mit dem nächtlichen Aufbau der Bühne. Er zeigt die Menschen, die ins Stadion schlendern, tanzen und sich gelegentlich von der Musik von ihren Plätzen fegen lassen, landet bei Rufus Thomas in kurzer rosa Kleidung und endet bei dem zuletzt eintreffenden Isaac Hayes, der in einem zugezogenen Umhang wie ein Boxer auf die Bühne steigt und ihn dort fallen lässt, und darunter kommt ein Umhang aus goldenen Ketten zum Vorschein. Isaac Hayes steht auf der Bühne und verneigt sich zeremoniell nach allen Seiten.

Dazwischen zeigt der Film den Stand-Up-Comedian Richard Pryor, der an einer Theke sitzt und Witze reißt und erzählt, wie er als Kind von weißen Polizisten Handschellen angelegt bekommen und den Befehl zugebrüllt bekommen hat, sich mit erhobenen Armen an eine Wand zu stellen. Nur war da keine Wand und seine Hände zitterten vor Angst derart, dass die Handschellen, die viel zu groß waren, klirrend zu Boden fielen. Und Jugendliche werden dabei gezeigt, wie sie lachend in einem Raum sitzen und albern und sich aufführen, als seien sie Gangster und Pimps.

Das Festival galt als das „Schwarze Woodstock“.

Der Dokumentarfilm kam 1973 heraus

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field agent

Der Pollen trägt oft statische elektrische Ladungen. Da viele Blütenpflanzen zu aktiver elektrischer Orientierung befähigt sind, kann die Pflanze die Ankunft von Pollen (auch an Insekten anhaftend) in der Blüte registrieren und die Blüten beispielsweise weiter öffnen. Das von ihr erzeugte elektrische Feld kann die Pflanze innerhalb von Sekunden ändern, um auf einfallenden Pollen oder auf Insekten zu reagieren. (Wikipedia)

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Die Kunst der Fuge

Es begann mit dem Wort Maya. Zu dieser Zeit las ich die Bücher von Maya Angelou, der Grand Dame der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, die in ihrem Leben derart viel erlebt hatte, dass es sieben Bände brauchte, um ihre Autobiografie zu fassen. Allerdings führte eine andere Spur mich auch zum urzeitlichen Volk der Maya und durch sie zu den ursprünglich auf dem amerikanischen Kontinent heimischen meliponini-Bienen. Die Mayas errichteten beispielsweise Pyramiden, wie wir wissen, und sie hatten eine Sprache und dazu eigene Schrift lange bevor jemand bei uns daran dachte. Sie beteten Götter an, die mit Christus und so weiter nichts zu haben – aus christlicher Sicht waren sie für Missionierung geradezu prädestiniert. Wir wissen, wie mit ihren Nachfahren umgegangen wurde, sie leben teilweise heute noch in Mexiko und Teilen Südamerikas. Ebenso schob man nordamerikanische indigene Ethnien in Reservate ab und setzte sie dort auf wertloses Land. Für die historischen Maya bildet Honig das Zentrum der Welt.

Die Arbeit eines Freundes lenkte meine Aufmerksamkeit auf magnetische Felder. Das Wort Maya löst verschiedene Assoziationsketten aus. Dabei fand ich zu der Einsicht, dass es auf die Kräfte ankommt, die beispielsweise zwischen Planeten wirken oder die Elektronen um Atome kreisen oder Magnetpole einander anziehen beziehungsweise abstoßen lassen, und auf die komplexen Felder, die diese Kräfte formen. Allerdings verfuhr ich erneut subjektiv. Eine innere Logik erschließt sich mir und womöglich ein paar Menschen, die meine Arbeit genauer kennen. Sie verändert sich aber und verschwindet.

Es handelt sich bislang um 12 gestempelte Blätter. Die Größe jedes einzelnen beträgt 21 cm mal 42,7 cm. Der Ton ist stark chamoisfarben. Das Verblassen von Stempeltusche wird von diesem Papier offenbar bevorzugt. Leider bin ich kein Experte. Es könnte daran liegen, dass das Papier stark mit Kreide gestrichen ist und ein größerer Teil bereits anfangs aufgesogen wird. Das gebildete Assoziationsfeld lockert sich, indem es verblasst.

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