2015

35° C

Die Temperaturangabe ist der Titel der Ausstellung. 35° C ist eine Annäherung, im Grunde eine obere Grenze. Denn steigt die Stocktemperatur weit darüber hinaus, wird es kritisch und die Bienen setzen einiges in Bewegung, sie fächeln Kühlung und verdunsten Wasser, das sie mit ihren Fühlern verspritzen. Zahlreiche Arbeiterinnen verlassen sogar den Bau, um sich draußen aufzuhalten. Man sieht es an heißen Sommerabenden, wenn die Vorderseiten der Kästen außen mit Bienen bevölkert sind. Man sagt, der Stock habe einen Bart. Wird den Bienen im Stock dauerhaft zu heiß, geben sie ihn endgültig auf. Im Winter schließen sich die Bienen um die Königin zusammen und beheizen sie durch Zittern der indirekten Flügelmuskulatur. (Um die Weisel sollte es mindestens 30° C haben.) So steht es im schlauen Buch und so habe ich es beigebracht bekommen.

Es war das zweite Skulpturenprojekt der Stadt Ebersberg in Zusammenarbeit mit dem Kunstverein Ebersberg. Daraus begründet sich die lange Ausstellungsdauer. Die minimalistische Skulptur konnte etwa ein Jahr lang, bis Ende März 2016, besichtigt werden. Es handelte sich um zwei leere Bienenstöcke aus Styropor, die in einer Nische in der Außenwand des Ebersberger Kunstvereins hockten, hoch oben, dem menschlichen Zugriff entzogen.

Schweb´ wie ein Schmetterling

Stich wie eine Biene

Muhamad Ali

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Von der Kunst zur Bienenkultur

Vortrag, gehalten im Kunstverein Ebersberg, 2015, anlässlich der Ausstellung 35°. Hier in Auszügen. Der gesamte Vortrag ist enthalten im Katalog NÄHERES

Als ich anfing, an der Akademie zu studieren, fing ich an zu verstehen:

– Der Ausdruck von Befindlichkeit ist unwichtig.

– Die Literatur ist ein reichhaltiger Fundus, aus dem ich mich heute gelegentlich bediene. Die Sprache, mit der man sich in Bildender Kunst ausdrückt, ist völlig verschieden. Ich musste sie erst erlernen. Sie ist mir fremd gewesen. Als Leser scheitert man daran.

Die Welt muss erfunden werden, sie ist das Material.

Ingeborg Bachmann

Das Fass kam zum Überlaufen, als ich die Stirn besaß, im Akademiegarten Bienen zu halten. Unbekannte feindeten mich auf den Gängen an. Nachdem ich die ersten Stiche kassiert hatte, bekam ich damit nicht nur die Immunität gegen Bienengift, sondern gegen Ideologie.

Künstler dürfen alles

„Fair is foul, and foul is fair“, so raunen die Hexen bei Macbeth.

Ich besuchte die Klassenbesprechungen von Daniel Spoerri. Es entstand eine Reihe abenteuerlicher Arbeiten mit tschechischen Blumenpostkarten und Lichterketten. Ich versuchte, Pflanzen in die Kunst hereinzuholen. Ich setzte einen Stempel, auf dem Erotisierung stand, ging spazieren und stempelte Rosenblätter in Münchner Parks. Doch die Pflanzen genügten mir nicht. Ich wollte dahinter sehen. Im Leben mit der Kunst, das ich ab den Neunzigern führte, fehlte mir etwas, das mich bis zur äußersten Grenze – und ich verwende dieses Wort mit Vorsicht – spirituell ansprach. (Ich kann mir nichts vorstellen, das mehr in diese Kategorie passt als Bienen. Aber viele sehen das anders und es geht in dieser Hinsicht nicht ums Recht haben.) Ich hatte Flausen im Kopf.

apicultura ist nicht begrenzt. Einige Facetten habe ich aufgedeckt, die meisten kenne ich noch gar nicht. Obwohl ich keine andere Bezeichnung wüsste, ist es nur ein Name und ich habe ihn beansprucht. Er bietet die Möglichkeit, alles, was ich im Atelier beziehungsweise im Ausstellungszusammenhang veranstalte, darunter zu subsummieren. Inzwischen bin ich dahin gekommen, das Wort für unwichtig zu halten.

apicultura ist die Quelle und der Zielordner.

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clover leaves

Die Arbeit umfasst sechs ganzseitig gestempelte Blätter aus Finnegans Wake. Das Papier, auf dem ich stempelte, ist in der Proportion um den Faktor 4,3 vergrößert, damit es zu meiner Schrifttype, einer Times in der Versalhöhe von zehn Millimetern passt. Die Papiermaße betragen 96 Zentimeter mal 60 Zentimeter. Ich bevorzugte eine Serifenschrift, da sie bei Büchern üblich ist. Wikipedia weiß: „Als Serife bezeichnet man die (mehr oder weniger) feine Linie, die einen Buchstabenstrich am Ende, quer zu seiner Grundrichtung, abschließt.“ Die Times New Roman wird häufig von Zeitungen verwendet. Zur Times weiß es außerdem, sie sei robust, klar und einfach lesbar sowie im Platzverbrauch ökonomisch. Daher sei sie für schmalspaltige Texte besonders geeignet.

Es entspricht der Regel, dass der Klee in der Natur drei Grundblätter hat. Er gehört zur Gattung Trifolium. Wikipedia in seinem unbeholfenen Deutsch weiß erneut: „Alle Laubblätter sind scheinbar grundständig, aufgrund der liegenden Sprossachse, angeordnet und in Blattstiel sowie Blattspreite gegliedert. Der Blattstiel ist bis zu 20 Zentimeter lang. Die Blattspreiten sind dreizählig gefingert. Die Blattfiedern sind bei einer Länge von meist 1 bis 2,5, selten bis 4 Zentimetern ein- bis zweimal so lang wie breit und breit-elliptisch bis verkehrt eiförmig mit gestutztem oder schwach ausgerandetem oberen Ende. Der Blattrand ist fein gezähnt.“

An der Unterseite sind die Laubblätter des weißen Klees, der bei uns ausdauernd und unverwüstlich auf den Wiesen wächst, glatt und seine Blüten duften nach Nektar. In Sizilien pflanzte man bis vor einigen Jahren einen lippenstiftroten Klee an, der von Steinmauern eingefasste Flächen zum Leuchten brachte. Ich vermute, es ist der sogenannte Süßklee, dessen Blütenstand purpurrot ist. Man nennt ihn dort sulla und er duftet nach Honig. Ausgewildert leuchtet er an Straßenrändern. Für die Bienen ist er eine hervorragende Trachtpflanze. Auf Feldern angebaut, wird er als Futterpflanze verarbeitet.

Der rote Klee ist bei uns heimisch, aber seltener und langstielig. Der weiße hingegen sitzt direkt am Boden. Daher wird roter Klee gerade bei häufigem Mähen ständig abgesäbelt. Seine Blüten bestehen aus längeren Röhren und sind entsprechend geeignet für Insekten mit langen Saugrüsseln.

Auf Flächen ohne Honigbienen vermehren sich Solitärbienen (Blattschneider-, Mauer- und Wollbienen) zwei- bis fünfmal besser als auf Arealen, die von Honigbienen besammelt werden.

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