2014

treppauf treppab

Ausstellung in den Betriebsstätten der ehemaligen Isarthalbahn

Veranstalter: www.kunst-im-bau.org

Im Sommer des Jahres 1981 und später in dem des Jahres 1987 erkundete ich zufuß die Gegend um Lengenwies, das zwischen Eurasburg und Beuerberg im Münchner Voralpenland liegt. Damals arbeitete ich jeweils am ersten, dann am zweiten Umbau eines riesigen Anwesens mit. Beim zweiten hatten wir uns den Dachstuhl vorgenommen. Wir rissen den ersten ab, weil er zu schwer war, und setzten einen neuen auf. Abends ließen wir die Beine nach draußen baumeln, hielten uns an einer Flasche Bier fest und betrachteten unspektakuläre Sonnenuntergänge.

Mein eigentliches Interesse allerdings galt den blühenden Pflanzen. Beispielsweise stieg ich frühmorgens vor Arbeitsbeginn auf Storchenbeinen über taunasse Wiesen und betrachtete Blütenformen. An den arbeitsfreien Tagen und den Wochenenden schritt ich die Umgegend ab und erstellte in meinem Kopf so etwas wie eine topographische Karte mit Höhenlinien. Etwa fünfzig Meter über dem Fluss stieß ich auf ein völlig zugewuchertes, ehemals aufgeschottertes, ebenes und schmales Band, das sich zwischen dichten Gebüschen hindurch schlängelt. Der Untergrund ist dort ein wenig kalkhaltig. Wer Pflanzen anschaut, erhält neben der Systematik, die auf Linné zurückgeht, und den physiologischen Eigenheiten, die auf Darwin und besonders auf seinen Sohn Francis zurückgehen, Auskünfte über den Boden. Nimmt man die Erkenntnisse von Delpino, einem italienischen Biologen, hinzu, ist man vollauf ausgestattet.

Es gibt ein einfaches Pflanzenbestimmungsbuch, das heißt: Was blüht denn da? Damals trug ich es ständig mit mir herum. Wie zu Spitzwegs Zeiten die Botanisierbüchse, war es mein Ausweis.

Unknown authorUnknown author, Cagecunninghamdiba-300×233, Unknown

Das in ebener Fläche aufgeschüttete Band, das erkannte ich vage, ist ein still gelegtes Gleisbett. Dem fehlten die Schienen. Dafür standen überall dornige Schlehenhecken. An denen zerriss ich mir die Kleidung und am Ginster fing ich mir Zecken ein. Sobald sich freie Flächen öffneten, bildeten sich abgeschiedene, sonnige Oasen. Dort standen Pflanzen, hinter denen ich seit Langem her war. Es sind Ragwurzen, auch Knabenkräuter genannt, eine heimische Art wilder Orchideen. Sie sind wärmeliebend und selten. Ihre Blüten sind kompliziert gebaut und ihre Namen häufig auf Insekten bezogen, von denen sie beflogen werden. Beispielsweise gibt es eine Hummelragwurz. Ihre Blüte ist groß und samtig behaart. Es heißt, ihre Form ähnele dem Hinterleib einer Hummel. Viele sind nicht einheitlich farbig, sondern mehrfarbig. Das Bestimmungsbuch ordnet sie unter rot ein, was ich für verfehlt halte, denn ihr Mittelteil ist bestenfalls braun. Es heißt weiter: „Die zwei hodenförmigen Wurzelknollen der Knabenkräuter haben der gesamten Pflanzenfamilie ihren Namen gegeben.“

Als ich betreffs des verwunschenen Gleisbetts, das heute ein geteerter Fahrradweg ist, herumfragte, wussten vorwiegend die alten Leute Bescheid. Es sei ehemalig, hörte ich, und habe in die Landeshauptstadt hinein geführt, bis an deren südliche Grenze. Es habe zur Isarthalbahn gehört, aber das sei, wie gesagt, lang her. Als Schlaumeier wollte ich wissen, wie man von einer Isarthalbahn sprechen könne, wenn unten sich die Loisach dahin winde. Die alten Leute starrten mich entgeistert an. Erst hatten sie mich umstanden, jetzt lösten sie sich und diskutierten untereinander weiter. Sie sprachen auf eine Weise davon, als sei die Sache in ihrer Kindheit bereits zu Ende gegangen. Manche behaupteten, die Hauptstrecke habe sowieso in Wolfratshausen geendet, sei aber bis dorthin lang betrieben worden und mit Elektrik. Andere widersprachen und benannten Beuerberg als Endstation, wieder andere wollten weit darüber hinaus gefahren sein, bis an die ersten Ausläufer des Gebirges.

Die Arbeit war direkt auf die Wand gestempelt

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Magnetfeldorientierung

Das Bienenlexikon erklärt: „Bei älteren Bienenlarven und während der Puppenphase werden im vorderen Bereich des Hinterleibs in der Nähe des einen der beiden Schweresinnesorgane über eine Million feiner, parallel ausgerichteter, eisenhaltiger Kristalle, wahrscheinlich Magnetitpartikel angehäuft, die durch nichtmagnetische Substanzen voneinander getrennt sind. Diese eisenhaltigen Teilchen bewirken die Entstehung eines senkrecht zur Körperachse der Biene gelagerten Magnetfeldes. Die Wachstumsrichtung der Magnetitkristalle, die zur Ausrichtung des remanenten Magnetfeldes führt, wird offensichtlich während der Puppenruhe festgelegt. Bei frisch getöteten (?) Bienen ließ sich nachweisen, dass die Magnetfeldlinien in der horizontalen Ebene des Bienenkörpers verlaufen. Die Bienen sind mithilfe des Magnetfeldes in der Lage, die Feldlinienrichtung des Erdmagnetfeldes und auch dessen diurnale Schwankungen wahrzunehmen. Auf diese Weise wird (…) ein exakter Zeitgeber wirksam, der den Tagesrhythmus der Honigbienen bestimmt.“

Der geografische Nordpol und dessen Gegenüber, der Südpol, richten sich nach der Achse, um die sich die Erde dreht. Von dort gehen die Linien aus, die als Gitter über die Erdkugel gelegt werden und Ortsbestimmungen in Länge und Breite zulassen. Der magnetische Nordpol jedoch liegt vom geografischen entfernt, teilweise um die 1000 km. Es heißt: Folgte man der Kompassnadel Richtung Norden, käme man unweigerlich zu diesem Pol, jedoch nicht auf dem kürzesten Weg. Das magnetische Gitter liegt seitlich verzogen über dem Erdball, wie ein schlampig übergestülptes Haarnetz. Nahe der Pole beispielsweise macht es noch eine starke Krümmung. Es gibt zusätzlich innerhalb des Feldes eine Reihe von örtlichen Abweichungen, beispielsweise wenn man über einem Flöz aus Magnetit steht oder wenn man die Kompassnadel einfach durch einen starken Magneten, den man in deren Nähe bringt, ablenkt. Mitunter wird behauptet, Überlandleitungen erzeugten eine weithin spürbare magnetische Abweichung, ebenso Handies. Die Deklination ist nicht statisch. Im November des Jahres 2016 betrug sie in München genau 3° 0′. Das gesamte Magnetfeld wandert im Lauf der Jahrhunderte Richtung Osten.

Das Feld sieht beiderseits, wie man heute weiß, völlig chaotisch aus, wie ein nasser Hund mit strubbeligen Haaren. Der magnetische Strom tritt nicht nur an den Polen aus, sondern weit vorher, als handle es sich um einen stark verkürzten Stabmagneten, der im Inneren der Erde stecke.

Die entsprechenden Sinnesorgane der Tiere begann man erst ab den sechziger Jahren zu erforschen, obwohl sich Züchter von Brieftauben längst über die Herkunft der Navigationsleistungen ihrer Schützlinge im Klaren waren. Bei den Zugvögeln mit Sommer- und Winterquartieren, den Fischen und Meeressäugern, die über weite Strecken schwimmen und präzise ankommen, den Honigbienen oder den Hornissen, die im Dunklen fliegen können, geht man von der Nutzung des Erdmagnetfeldes aus. (Übrigens sind auch bestimmte Bakterien dazu in der Lage.)

Weniger weiß man, wie die Tiere, die es wahrnehmen, die Informationen darüber an ihr Gehirn übermitteln, sie verarbeiten und in Handlungen umsetzen oder welche Störungen auftreten können. Als ich letztes Mal darüber las, konnte ich nicht herausbekommen, wie weit die wissenschaftliche Erforschung der Rezeptoren gelangt war. Anscheinend bereitete die Umwandlung in den elektronischen Impuls, der zum Gehirn führt, den Forschern die größten Schwierigkeiten.

Das Feld sieht beiderseits, wie man heute weiß, völlig chaotisch aus, wie ein nasser Hund mit strubbeligen Haaren. Der magnetische Strom tritt nicht nur an den Polen aus, sondern weit vorher, als handle es sich um einen stark verkürzten Stabmagneten, der im Inneren der Erde stecke.

Die entsprechenden Sinnesorgane der Tiere begann man erst ab den sechziger Jahren zu erforschen, obwohl sich Züchter von Brieftauben längst über die Herkunft der Navigationsleistungen ihrer Schützlinge im Klaren waren. Bei den Zugvögeln mit Sommer- und Winterquartieren, den Fischen und Meeressäugern, die über weite Strecken schwimmen und präzise ankommen, den Honigbienen oder den Hornissen, die im Dunklen fliegen können, geht man von der Nutzung des Erdmagnetfeldes aus. (Übrigens sind auch bestimmte Bakterien dazu in der Lage.)

Weniger weiß man, wie die Tiere, die es wahrnehmen, die Informationen darüber an ihr Gehirn übermitteln, sie verarbeiten und in Handlungen umsetzen oder welche Störungen auftreten können. Als ich letztes Mal darüber las, konnte ich nicht herausbekommen, wie weit die wissenschaftliche Erforschung der Rezeptoren gelangt war. Anscheinend bereitete die Umwandlung in den elektronischen Impuls, der zum Gehirn führt, den Forschern die größten Schwierigkeiten.

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“all answers are answers to all questions” (Cage)

Vortrag, gehalten in der sogenannten Kulturjurte, einer Art von Nomadenzelt, das auf vorübergehend brachliegenden Flächen in der Stadt errichtet wurde und als interkulturelle Plattform diente.

Der gesamte Text ist im Katalog NÄHERES zu lesen. Hier ein winziger Ausschnitt:

In einer Erzählung, die ich im Jahr 2013 für meine Tochter schrieb, setzte ich ein mit einem Freund erfundenes mathematisches Universum ein, das ich den Bienen und ihren nächsten Verwandten, den Hummeln, zuordnete. Die Bienen schwingen sich von Blüte zu Blüte und diskutieren dabei ständig.

(Die Wissenschaftler wissen durch Zuhilfenahme winziger digitaler Kameras, als befänden wir uns in einem modernen Spionagefilm, dass Bienen ein Ziel nie gerade anfliegen, sondern lange, gewundene Schleifen durch den Raum ziehen.)

Das mathematische Universum, das ich den Bienen zuwies, ist der konjunktivische Zahlenraum. Es ist kein schlampiges Universum, wie man gleich als Verdacht äußern könnte, sondern eines, in dem es heißt: möglicherweise.

„Zwei und zwei wäre gleich vier.“

„Wäre, wenn?“, fragt man.

„Eben“, lautet die Antwort, „ohne wenn.“

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