2006

Die Lesungen der Honiggeschichten

Teilweise zusammen mit Kalle Laar, Musik

Nachdem das Buch Honiggeschichten gedruckt war, stellte sich die Aufgabe, an seiner Verbreitung zu arbeiten. Es war ein Anlass, über Vertriebswege nachzudenken.

Die Lesungen fügten ein bewegliches Element zu der statischen Ausstellungstätigkeit. Die Lesung war etwas Leichtes, schnell Inszeniertes. Die schriftliche Form spricht eine feinere Taktung von Zeit an. Jeder will bis auf die Minute genau bestimmen, wofür er seine Tage verplempert. Der Einzelne ist ein empfindlicher Verwalter seiner kostbaren, privaten Zeit. Man schmeißt nicht gern die halbe Stunde, die man für Hin- und Rückweg zu einer Ausstellung braucht, aus dem Fenster, nur um etwas vorzufinden, von dem man möglicherweise enttäuscht ist. Lieber holt man sich die Unterhaltung (sowie das Essen) ins Haus. Mehrere Industrien arbeiten daran, diese Bedürfnisse zu befriedigen. Ein Buch läßt sich in die feinen Intervalle einpassen. Man liest es, wie ein Bekannter sagte, im Zug, im Bett und auf dem Klo. Man liest zehn Seiten, bevor die Augen zufallen.

Das Vorlesen unternahm jeweils eine andere Person: Ulrike Budde ist Schriftstellerin, Sarah Matthier ist Schauspielerin, Alexander Bauer ist Architekt. Zwei Events fanden zusammen mit dem Klangkünstler Kalle Laar statt, der Insektenschwärme und andere merkwürdige Klänge präsentierte. Ich bemühte mich, unterschiedliche Kreise anzusprechen. So fand eine Lesung in den Räumen der SZ-Lokalredaktion in Ebersberg statt, eine zweite in der Seidlvilla, München, und eine dritte in der Galerie Steinle, ebenfalls München. Für weitere Orte gab es Zusagen. Aber es war angezeigt, im nahen Umkreis von München zu bleiben. Schließlich sind es die städtischen Schauplätze, die einen Teil der Färbung im Buch ausmachen.

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Tage mit Erhöhter Schwerkraft

Gemeinschaftsausstellung mit Michael von Brentano in der Galerie Markt Bruckmühl. Rede zur Eröffnung Wilhelm Warning

Im Erdgeschoß präsentierten wir gemeinsam einen Raum. Im ersten Stock zeigte ich: Der Goldene Faden. Unterm Dach zeigte Michael seine Arbeit: Das Lager des Bildhauers oder Sprechen Sie laut und deutlich.

Der Goldene Faden

Der Titel ist eine direkte Anspielung auf den Roten Faden, der im übertragenen Sinn ein Leitmotiv bezeichnet. Eine verstecktere Anspielung ist der sogenannte Ariadnefaden. Er war der griechischen Mythologie zufolge ein Geschenk der Prinzessin Ariadne, Tochter des kretischen Königs Minos, an Theseus. Der fand den Weg durch das Labyrinth, in dem sich der Minotauros befand. Nachdem Theseus den Minotauros getötet hatte, konnte er entlang des Fadens, den er ausgerollt hatte, das Labyrinth wieder verlassen. Der Hinweis für die Verwendung des Fadens stammte von Daedalus, der auch das Labyrinth entworfen hatte.

Die Arbeit Der Goldene Faden war in Bruckmühl über ein Stockwerk ausgebreitet: drei Räume und ein Flur. Die schillernde Linie lief in derselben Höhe dahin, einmal rundum. Als ich in der Vorbereitungsphase aus einem Plan die Gesamtlänge aller Wände addierte, kam ich auf etwa 50 Meter. Natürlich täuscht diese Zahl, denn man quetscht nicht in jeden Winkel ein Blatt. Ursprünglich hatte ich sogar vorgehabt, immer wieder Strecken leer zu lassen. Aber bei der Hängung stellte ich fest, dass dafür die Räume zu verschachtelt sind. Es wurde mir stattdessen wichtig, den Eindruck von Fülle zu erzeugen. Und nach dem Aufbau blieb ein Konvolut zurück, das weitere zwei bis drei Räume ausgefüllt hätte.

Für den ersten und größten Raum bemühte ich die Arbeit zur Bienenanatomie, die im Jahr 2000 teilweise in der Offenen Galerie im Gasteig in München ausgestellt gewesen war. Damals hatte ich nur einen kleinen Teil der Blätter zeigen können. Auch diesmal reichte der Platz nicht im Mindesten und ich beschränkte mich auf einige Schlüsselmotive: die Samenblase der Königin, die Wahrnehmungsorgane einschließlich der Ganglien und verschiedene Muskulaturen. Zwischen diese schwarz-weißen Blätter voll ausgefallener, üppiger Formen montierte ich Geschenkpapiere mit Blumenmotiven

Der zweite Raum war still und zurückgenommen. Dort behandelte ich verschiedene Arten der Beute beziehungsweise deren Entwicklung vom Baumstamm zum Magazin sowie diverse Arten von Körben. Meine Aufarbeitung dieses Themas ist nicht abgeschlossen, sie ist weder systematisch noch erschöpfend, aber die Anzahl der Blätter sprengte bereits den Rahmen. Es war mein Lieblingsraum. Die Formate sind kleiner und die Bilder kompakter, die Aufnahmen sind schwarz-weiß, jedoch auf dem Farbkopierer vervielfältigt, wodurch eine latente, schwache Farbigkeit entsteht. Durch weitere und engere Abstände schälen sich Themengruppen heraus. Neben die überbordenden Naturformen ist die orthogonale Schlichtheit der menschlichen Formensprache gesetzt. Allerdings brach ich die Kälte des rechten Winkels, indem ich vorwiegend alte Kisten aus Holz zeigte.

Im Bienenstock fand, wie bereits erwähnt, die imkerliche Revolution durch den Einsatz beweglicher Holzstäbchen statt. Man legte sie in einem Abstand, den man als geeignet erkannt hatte, nebeneinander oben auf. Anschließend erweiterte man den Gedanken und benutzte Holzrähmchen. Bienen errichten ihren Bau nach fast jeder Vorgabe und es bedeutet, anders als behauptet, keine Härte für sie.

In den dritten Raum gelangte man durch den zweiten. Hier verwendete ich mit dem Rasterelektronenmikroskop aufgenommene und eingefärbte Blütenpollen in gigantischer Vergrößerung. Es war meine Hauptarbeit. Ich hatte die Anordnungen innerhalb jeden Blattes tagelang ausgetüftelt.

Die Motive sind wie meistens in umgebende Träger eingelassen. Diesmal jedoch besteht es aus Transparentpapier, das beidseitig mit klarsichtiger Klebefolie versiegelt ist. Die Proportion stellt die der Gläser beim Mikroskopieren nach. Dem hermetisch stillen Raum folgte ein knallbunter mit großen Formaten und spiegelnden Oberflächen. Da das Rasterelektronenmikroskop nur schwarz-weiße Bilder liefert, erarbeitet eine Person am Rechner eigens die Einfärbungen. Die tatsächlichen Farben lassen sich wegen der Winzigkeit der Partikel nicht erkennen. Betreffs der Färbung gibt es national unterschiedliche Auffassungen. Die Nordamerikaner, wie ich las, kolorieren die gleichen Aufnahmen in den schrillsten Farben. Bei uns spürt man, wie ich las, dem Wahrscheinlichen nach. Dennoch ist das Buch, aus dem ich die Bilder habe, ein einziger Farbrausch.

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