2000

Anstrich in Gold

Im Sommer des Jahres 2000 kam die Abendzeitung auf mich zu und bat um ein Interview samt Bild. Zwar gewährte ich ihnen den Wunsch, schob den Zeitpunkt aber hinaus, da ich die Kästen vorher neu streichen wollte. Ich begann, mich von Franz zu lösen, und offenbar fing es mit der Farbe an. Der Anstrich in Abtönfarbe, den ich ungefragt übernommen hatte, war seine Handschrift, und ich wollte mich nicht weiter als Lehrling fühlen. Zudem bestanden die unteren Teile der Kästen aus Styropor, man hätte sie teeren und federn können, ohne dass die Bienen daran Anstoß genommen hätten. Ich dachte ein paar Tage nach, fragte mich, ob Grau geeignet wäre oder zu langweilig, und wählte Gold, das ich für zu extravagant hielt. Dann fuhr ich zu dem Farbenbedarf in München. Ich wusste davon aus der Akademiezeit, zahlreiche Maler gingen dorthin. In dem schmalen, hohen, länglichen Laden stehen Regale bis an die Decke und alles ist angefüllt mit klarsichtigen Plastiksäckchen voller Pigmente in unterschiedlichen Farbtönen. Das überforderte mich völlig. Natürlich waren jede Menge Schmuckfarben vorrätig und ich schnürte unentschieden in und vor dem Geschäft herum. Wie sollte ich in dem vielfarbigen Wust eine Auswahl treffen? Schließlich entschied ich mich für einen verhältnismäßig dunklen Ton. (Er fügte sich zu dem hellbraunen Untergrund und auf dem Foto wäre der neue Anstrich nicht einmal aufgefallen.) Im Anschluss diskutierte ich ewig mit dem Verkäufer herum, welches Bindemittel im Außenraum Bestand haben könnte. Bald hatte ich den Eindruck, er nähme derart lebhaft Anteil, dass er sich so umständliche Gedanken machte wie ich. Schließlich wählten wir den farblosen Binder auf Acrylbasis, den er anfangs vorgeschlagen hatte.

Den Schriftblock apicultura, der auf dem Foto zu sehen ist, ließ ich aus einer hellblauen Klebefolie ausschneiden.

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Anatomische Zeichnungen

Die Bienenanatomie fasste ich als Gelände auf. Und Zeichnungen waren für mich das geeignete Mittel, es zu erkunden. Mir schien, dass die meisten frühen anatomischen Zeichnungen, die in Büchern zu finden sind, zwar in wissenschaftlichem Kleid auftreten und in den Kontext eingebunden sind, aber mit einem künstlerischen Impetus angefertigt wurden.

Es dauerte zwei Jahre, bis ich mich durch diesen Hirseberg gegessen hatte. Anders als ganz zu Anfang, als ich mich hinsetzte und mir sagte, ich würde erst wieder aufstehen, wenn ich alles erfasst hätte, als schriebe ich alles hin, was ich von den Bienen wusste, ging diese Bewegung langsamer vorwärts. Was sich dann ergab, war im Grunde die zähe Vorbereitung auf die Arbeit Bienenanatomie, die ich mehrfach ausstellte, von der ich sogar meistens nur kleine Teile zeigte, da alles zu präsentieren eine riesige Räumlichkeit erfordert hätte. Anfangs musste ich das Ganze aufteilen und portionsweise zeichnerisch durchgehen, bevor ich soweit kommen konnte, mich der Bienenanatomie von Zander und einigen anderen freimütig und ohne Hindernisse zu bedienen.

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Missweisungen

Die Ausstellung fand in der Offenen Galerie im Gasteig statt. Das Thema war Kunst und Wissenschaft. Dazu waren vier Künstler eingeladen. Missweisungen sind eine spezielle thematisches Feld bei den Bienen. Dennoch war der Titel hier angebracht.

Der Darm

Diese Arbeit legte ich im Sommer des Jahres 2000 als ziemlich monumentale, überbordende Bildserie an. Der formale Aufbau der Blätter stand schnell fest.

Der Boden im Ausstellungsraum war aber mit Teppich ausgelegt, einem groben, graublauen Gewebe; die Wände bestehen aus Sichtbeton, den man eigentlich nicht anrühren sollte; die Decke war mit dunklen, blechernen Lamellen abgehängt. Man kann es ruhig ein Desaster nennen.

Das Material für meine Arbeit entstammt den zwanziger Jahren und ist dem anatomischen Werk Der Bau der Biene entnommen. Das ist einer der sieben von Enoch Zander herausgegebenen Bände (Handbuch der Bienenkunde). Sie erfassten alle damals bekannten Belange rund um die Biene. Nur fünf Bände werden weiter aufgelegt. Der Bau der Biene wurde fortgeführt, solange Zander lebte, dann eingestellt. Zander war bis zum Jahr 1957 Leiter des Bieneninstitutes in Erlangen. Durch ihn erlangte die Erforschung des Lebens der Honigbiene, mit Gewicht auf einzelne Kernfragen, Weltgeltung.

Zander, als strenger Wissenschaftler, importierte fremde Quellen. Das erkannte ich weniger am sprachlichen Ausdruck, als an den zeichnerischen Stilverschiebungen. Die Hoheit der gefundenen Idee (worauf in der Kunst so Wert gelegt wird) wich der arbeitsteiligen Anstrengung.

Zander versah alles mit Hinweisen, Zahlen, Pfeilen und gestrichelten Linien, um die feste Verschränkung mit dem erklärenden Text zu gewährleisten. Da ich sozusagen ein im Kunstauftrag handelnder Dieb bin, durchtrennte ich dieses Band. Mithilfe von Tippex befreit von allen Zusätzen, die seine Zeichnungen zu- und unterordnen, treten erstaunliche künstlerische Motive hervor. Ich kopierte sie vergrößert in Schwarz- Weiß. Die wissenschaftliche Zuordnung, um welches Element es sich bei der Biene handelt, wurde dadurch unterbrochen.

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