1997

Bienenköniginnen


Zu dieser Zeit kam es vor, dass ich verschiedentlich Bienenköniginnen im Sinn hatte und darauf hin werkte, ein großes, symmetrisches und abstrahiertes Modell zu schaffen, das ich abformen und gießen konnte. Daraus wurde bis heute nichts, obwohl ich immer wieder daran arbeite. Zunächst modellierte ich, welche vordringlichen Merkmale die Form aufweisen sollte. Die Idee ergab sich von selbst, da ich das Wachs tagelang unter der Windschutzscheiben liegen hatte, damit es knetfähig blieb und ich die Formen verändern konnte. Die Ausstellung folgte auf den Sommer, in dem ich modelliert hatte.

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Nisttürme

Die wild lebenden Honigbienen unterscheiden sich nicht von jenen, denen wir Unterschlupf gewähren. Ihre Rasse-Eigenschaften können durch Zucht beeinflusst werden, solange man ihrer habhaft ist. Aber sobald sie entkommen, hängen sie als Wildtiere im Baum. Leben sie wild, sind sie auf geeignete Wohnungen, wie es früher die Höhlen in Bäumen waren, angewiesen. Im Freien gehen sie im Winter ein, da sie zu viele Fressfeinde haben. In der Stadt, vermutete ich, sind die Chancen, einen geschützten Hohlraum zu ergattern, inzwischen größer als auf dem Land. Im Glücksfall finden die vorauseilenden und suchenden Spurbienen Behausungen, die ein Schwarm in Ruhe in Besitz nehmen kann. Häufig ziehen sie daher wieder in Bienenkästen ein, wo ein Imker sie betreut, und verwandeln sich quasi von selbst zurück in Haustiere.

Mein Projekt sah vor, Nisttürme für wild lebende Honigbienen aufzustellen. Die Plastik betont die Wehrhaftigkeit der Bienen und gleichzeitig ihr Angewiesensein auf Schutzräume. Der Mensch, den ich mir vorbei schlendernd dachte, kann über das Schauen Informationen aus der Anordnung beziehen. Im besten Fall erkennt er, dass es sich um ein Äquivalent handelt, von der wilden zur domestizierten Biene und zurück. Das Stipendium war für den städtischen Raum ausgeschrieben, speziell für Parks, und ich hatte sofort die entlegenen Spazierwege des nördlichen Englischen Gartens im Sinn. Ich wollte die schweren Betonringe von Abwasserrohren verwenden, etwa vier oder sogar fünf davon aufeinander gelegt, sowie eine runde Betonplatte als schirmenden Deckel, um die Proportionen von Litfaßsäulen nachzustellen.

Ins obere Segment, unerreichbar für unten stehende Personen, sollten nach drei Seiten zeigend, schießschartenartige, längliche Öffnungen in den Beton geflext werden. Sie sollten Anflughilfen für die Bienen bieten und das Nest durch einen schmalen Spalt erreichbar machen. Im Inneren wäre ein Korb gehangen, der drei gleich große, zu den Seiten hin geschlossene und nach unten durch eine Gaze belüftete Räume zum Nisten bereitstellen sollte. Die Bienen hätten sich ihr Nest im Wildbau angeordnet. Der eingetragene Honig wäre nicht geerntet worden. Da in der Stadt die Menge des Frühjahrshonigs meistens den Bedarf fürs Jahr deckt und da der Nistplatz begrenzt gewesen wäre, hätten sich umgehend Schwärme gebildet und hätten nicht lang zu suchen gehabt. Die Besiedelung der insgesamt fünf Säulen, die ich zunächst plante, wäre im Nu vollzogen gewesen.

Wie ich vermute, standen damals in der Außenwahrnehmung die Wehrhaftigkeit der Bienen sowie der Honig als maximale Süßspeise im Vordergrund. Um die Jahrtausendwende fing man an, die Bedrohtheit der Bienen durch Umweltgifte beziehungsweise die der sogenannten Umwelt selbst festzustellen, die Gesamtheit der Bestäuber mit ihrem Nutzen gegenzurechnen und daraus eine politische Forderung zu basteln. Der Konjunktiv im Text weist darauf hin, dass ich keine Fördergelder bekam. Allerdings verbleiben das abgebildete Gipsmodell mit Deckel sowie die Zeichnungen und Collagen. Sie sind sorgfältig eingelagert.

Obwohl die Arbeit über das Modellstadium nicht hinausgekommen ist, besteht sie fort. Auf lange Sicht scheint es beinahe unerheblich, ob das Projekt verwirklicht worden ist. Übrigens war ich später nicht sicher, ob der Wettbewerb selbst über die erste Planung hinausführte. Denn ich reichte zwar mein Modell und meine Zeichnungen und die dazugehörige Beschreibung entsprechend der Abgabefrist ein, doch ich erhielt den ganzen Packen schnell zurück, verbunden mit einer lauen Ausrede, und hörte nie wieder von der Sache.

Edward Steichen creator QS:P170,Q313899, Edward Steichen – Brancusi, als gemeinfrei gekennzeichnet

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Projekt Honigladen

Eine prägende Besonderheit im Vorfeld dieser Ausstellung war, dass ich jahrelang im gegenüberliegenden Haus gewohnt hatte. War ich unten aus der Haustür getreten, war selbst ein flüchtiger Blick nicht umhin gekommen, die jeweils aktuelle Ausstellung zu streifen. Da der Raum im Vorderhaus liegt und ehemals ein Laden gewesen ist, mit ausgiebigen Schaufensterflächen und einem länglich geschnittenen Präsentationsraum, fiel es mir schwer, zu verstehen, warum diese örtliche Gegebenheit noch kein Künstler aufgegriffen hatte. War sie zu banal? Jedenfalls war in mir lange der Wunsch gereift, dort erneut eine Ladensituation zu inszenieren. Und als es dazu kam, überlagerten sich die künstlerischen Motive mit ganz pragmatischen, wie zwei sich ergänzende Schablonen, die erst übereinander gelegt ein vollständiges Bild ergeben. Ich hatte wirklich etwas zu verkaufen. Die Ausstellung wurde im Sommer des Jahres 1997 eröffnet. Ich hielt die Bienen im fünften Jahr, pflegte aber ein stiefmütterliches Verhältnis zu Honig. Die Eimer stapelten sich in meinem Atelier im Keller und standen unterm Bett. Andere schleppte ich später über einen großen Umzug hinweg mit. Zu dieser besonderen Präsentation arbeitete ich zumindest das Bestehende ganz auf. Ansonsten hangelte ich mich von Ausstellung zu Ausstellung und vertraute auf natürliche Absatzwege. Über Freunde und Bekannte verkaufte ich etwa die Hälfte der jährlichen Ernte. 20 Jahre später hat es sich so weit gesteigert, dass die Leute sich bei den Weiterverkäufern in Listen eintragen. Der Honig ist verkauft, bevor er geerntet ist.

Wie die Abbildung zeigt, stellte ich ein acht Meter langes Stahlregal auf und füllte es mit verschiedenen Sorten und Jahrgängen. Das Mengenangebot reichte von 500-Gramm-Gläsern bis zu mittelgroßen Eimern mit je 12,5 Kilogramm. Die gigantischen 40-Kilo-Gebinde, die wohl keiner auf dem Frühstückstisch haben will, stellte ich erst gar nicht hin, sondern füllte sie in Gläser und kleinere Eimer ab. Wie viel Honig schließlich im Angebot war, habe ich vergessen, aber es war ein sogenanntes Schwerlastregal. Dazu führte ich die üblichen Ladenöffnungszeiten ein und gab bereitwillig jedem Auskunft.

Die Sache lief nicht schlecht. Man kannte mich auf einmal.

„Scheuerecker, mhm? Ist das nicht der mit den Bienen?“

„Richtig. So ein großer mit halber Glatze.“

„Ist er nett?“

„Kann ich nicht sagen.“

Die Ausstellung als Laden im ehemaligen Laden war so angelegt, dass sie meine tägliche Anwesenheit einschloss. Manche kauften den Honig unbesehen, andere stellten nur stundenlang Fragen.

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