1996

Anruf im Bienenstock

Um das städtische Projektstipendium zu ergattern, brauchte es eine einfache Idee, die in die Zeit passte. Aber ich war im Jahr zuvor schon ohne Fördermittel ausgegangen, ebenfalls mit einem Bienenprojekt, und ich wollte keine Neuauflage, sondern etwas Fortgeschrittenes. Im Jahr 1995 hatte ich es mit einer Livecam am Flugloch versucht. Das schien zu dieser Zeit eine gute Idee. Man hatte sich angewöhnt, Livebilder abzurufen, sei es von einem Kirchturm in Oslo oder von der Bergstation der Seilbahn auf dem Ätna. Doch nur ein Jahr später, im Jahr 1996, war die hohe Zeit dieser Aufnahmen unvermittelt vorbei. Sie waren zu einer technischen Spielerei verkommen. Vermutlich verwendete man sie noch in der Pornoindustrie. Als ich erfuhr, dass man die Bienen auf dem Gasteig seit dem Jahr 2011 mit einem Livestream erfasst und sich als Vorreiter versteht, musste ich schmunzeln.

Ein Freund kennt das Bienenprojekt von Anfang an. Wir entwickelten die neue Idee gemeinsam, dann arbeitete ich sie aus. Es gab frisch auf dem Markt Handies mit Babyruf-Funktion, sie arbeiteten wie unidirektionale Babyphone, waren jedoch an das Telefonnetz gekoppelt. Man rief an, es hob selbständig ab und man hörte sein Baby brabbeln. Der Gesangsvortrag der Bienen hätte dort exakt hineingepasst. Zusätzlich hätte man Auskünfte über das Wetter, die Temperatur, den Wind, die tageszeitliche Laune der Bienen und so weiter folgern können. Es wäre ein zuverlässiges Umweltbarometer entstanden. In einem Bienenstock anzurufen, hat einen poetischen Aspekt und viele Leute hätten das schon aus Neugier getan. Die archaische und überzeitliche Welt der Bienen, für die viele einen unbestimmten Respekt empfinden, sollte mit einem gegenwärtigen Medium verknüpft werden.

Das Telefon empfand ich nicht als finanzielle Hürde und auch nicht die Installation. In meiner Ausführung der Bienenkästen befindet sich im Boden ein rechteckiger Schacht, der von unten und hinten zugänglich ist. Ein Stromkabel hätte den Akku aufgeladen. Das Projekt sollte von Anfang April bis Ende Oktober laufen. Das ist der Zeitraum, der einem das Öffnen der Stöcke erlaubt, falls das Wetter mitspielt.

Allerdings wäre eine breit gefächerte Kampagne in verschiedensten Medien nötig gewesen. Die Telefonnummer musste verbreitet und unterschiedlichen Zielgruppen zugeführt werden. Das bildete den Etat. Ohne diese Unterstützung kam ich nicht aus. Mir schwebte zunächst Gedrucktes in der Zeitung und in Anzeigenheften vor. (Die Abendzeitung war ohnehin an mich herangetreten, über das Projekt Stadtimker etwas in ihrer Stadtteilseite zu bringen.) Damals kamen die Bildschirmwerbungen in den U-Bahn-Stationen auf (info-screen). Ich dachte sogar an Kinowerbung. Alles in allem ging es nicht ohne die Fördermittel. Und ich bekam sie nicht. Eine Frau, die an der Jury teilgenommen hatte, erzählte mir später, mein Entwurf sei auf Platz vier festgesessen. Nummer eins bis drei bekommen das Geld.

Meine damalige Freundin sagte: „Zum Teufel. Diese Platz-Vier-Geschichte ist genau das, was einem noch den Rest gibt.“

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