Autor: Christoph

Edition Karbit

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Mitte Dezember des Jahres 2017 fand die Edition Karbit in der Galerie Heufelder statt und ich war eingeladen. Das Verbindende zwischen den Künstlern war kein Thema, sondern das Format. Man sollte jeweils drei gleiche Blätter im Maß 22 Zentimeter mal 33 Zentimeter bearbeiten und vorlegen, hochkant oder quer. Eines davon wurde gerahmt und aufgehängt. Das Verhältnis empfand ich als unglücklich, unter anderem, da es so nahe am DIN-A4 liegt. Mich erstaunte, wie stark meine Arbeit zunächst beeinträchtigt wird, wenn das Format vorgeschrieben ist.

Fibonaccis frühe Schriften, die nicht erhalten sind, werden von anderen zitiert. Er versuchte, seine berühmt gewordene Folge anhand der Paarung von Kaninchen zu veranschaulichen. Allerdings sind nicht biologische Kaninchen gemeint, was für Verwirrung sorgte und dazu führte, dass man ihn (aus den falschen Gründen) widerlegte. Jedoch gibt es ein genetisches Vermehrungsbeispiel bei den Bienen, das unbestreitbar ist. Es konnte damals niemandem einfallen, da derartige Kenntnisse über Bienen noch nicht bestanden. Im Stammbaum der Drohnen liegt die Fibonacci-Folge vor. In dem der Arbeiterinnen kommt sie ebenfalls vor.

Drohnen sind für die Befruchtung einer jungen Königin aus einem anderen Volk zuständig. Dazu krabbeln sie aus dem Stock, schwingen sich hoch in die Luft und finden ohne vorherige örtliche Kenntnisse die Sammelplätze. Dort erreichen aber nur jene, die der Königin am weitesten hinauf folgen können, ihr Ziel. Das ist die Begattung und bedeutet zugleich ihren Tod, da ihr Begattungsapparat dabei herausgerissen wird. Drohnen lungern ab April untätig im Stock herum und werden zur Sonnwende hinausgedrängt oder abgestochen. Man nennt es die Drohnenschlacht, was dramatisch klingt. Unsentimental betrachtet, ist es ein Entschlackungsvorgang. Das Volk bereitet sich bereits auf den Winter vor. Drohnen haben keinen Stachel; wenn sie erdolcht werden, können sie den Bienen keine Gegenverletzungen beibringen. Sie sammeln keinen Nektar und können sich nicht selbst ernähren, damit die Bienen sie verhungern lassen können. Sie verrichten keine Dienste im Stock, um entbehrlich zu sein.

Da die Drohnen nur zwischenzeitlich hervorgebracht werden, kommen sie mir vor, wie eine vorübergehend männliche Ausstülpung des Bienenkörpers. Ich sehe sie als einen kurzfristig männlichen Anteil eines weiblichen Systems.

Categories: 2017

in bocca al lupo

Vortrag in der Cafeteria der Akademie der Bildenden Künste, München. Ende Dezember 2017

Gegen Ende Juli wurde ich von Katharina Deml angerufen und gefragt, ob ich bereit sei, ungefähr im Dezember einen Vortrag in der Reihe Tischgespräche zu halten mit dem Thema, wie es früher an der Akademie gewesen ist, von der Baracke, dem Garten, der Bienenhaltung, dem Honig und der Herstellung wertvoller Nahrung. Mein Beitrag sollte, wie wir entschieden, auf einen der Gartenarchitektin, die den grünen Raum im Akademiegelände umgestaltet hat, abgestimmt sein. Die Dame ist jedoch nicht mehr eingeladen oder sie hat abgesagt.

in bocca al lupo. Das heißt, wenn man es wörtlich übersetzt: im Maul des Wolfes. Man müsste sich also fürchten. Ein italienischer Bildhauer, der nicht Deutsch spricht, sagt mir das zu Einladungen, die ich ihm schicke. Er meint damit in etwa: Hals- und Beinbruch. Es ist, wie mir eine Italienerin erklärte, entgegen der Logik die Bezeichnung für den sichersten Ort der Welt. Denn wo könnte man sich besser beschützt fühlen als dort?

Categories: 2017

Enzyme

Vom Wort Enzym behauptet Wikipedia, es sei ein neoklassisches Kunstwort, das dem Griechischen entlehnt sei, und sei gleichbedeutend mit dem früher verwendeten Wort Ferment, das aus dem Lateinischen stamme. Gemeint sind Stoffe, die chemische Prozesse beschleunigen, ohne sie zu beeinflussen. Ich erinnere mich deutlich, wie wenig ich den Chemieunterricht in der Schule leiden konnte und daher zusah, das Fach so schnell, wie es damals möglich war, abzulegen. Dennoch ist mir das Wort Katalysator als Bezeichnung im Sinn hängen geblieben.

Enzyme werden in der Chemie auf einfallsreiche, beinahe kunstvolle Weise, reichlich bunt räumlich dargestellt, was mich dazu brachte, diese als Bilder selbst zu begreifen und zu verwenden. Sie enthalten Luftschlangen, die wir als Kinder am Fasching in den Raum geblasen haben, und Pfeile, die auf Bewegungsrichtungen verweisen. Ich jagte einfach Bilder davon durch den Farbkopierer und brachte sie als Nitrofrottagen aufs Papier.

Der Ausgangspunkt ist, dass man das Vorhandensein einer begrenzten Menge von Enzymen im Honigmagen der Biene nachgewiesen hat. Sie beschleunigen die Umwandlung von Nektar in Honig, und wenn die Biene mit ihrer gesammelten Ladung im Stock ankommt, ist ein Teil der Arbeit bereits abgeleistet. Dennoch liefert sie den vorfermentierten Honig ab, ihre Schwestern beziehungsweise Stiefschwestern nehmen ihn auf, führen den Vorgang weiter und am Ende, nach diversen Durchgängen, wird der Pflanzensaft schließlich als Honig eingelagert.

Im Honig sind ebenfalls Enzyme vorhanden. Die meisten Honige bestehen aus einem komplexen Gemenge zahlreicher Zuckersorten. Das geht vom Einfachzucker, dessen prominenteste Vertreter Glucose und Fructose sind, bis hin zu Vielfachzucker, den Polysacchariden. In der chemischen Darstellung ergeben sie zunehmend komplexer werdende Molekülketten. Der menschliche Körper benötigt Enzyme, um diese Zucker in ihre einfachsten Bestandteile aufzuspalten. Da er die Enzyme selbst nicht aufbringen kann, muss der Honig sie mitliefern. Dadurch wird der Honig das, was man gesund nennt – im Gegensatz beispielsweise zu Raffinadezucker, dem weißen, mit dem wir häufig den Caffé süßen.

Categories: 2019

Näheres

Katalog

Während des Jahres 2019 war ich mit organisatorischen Fragen bezüglich des Kataloges „Näheres“ befasst. Da ein bereits fertig gestellter Druck nicht haltbar war, kamen die Grafikerin, der Lithograph, der Drucker und ich zusammen und einigten uns, sein Ergebnis zu verwerfen. Das war auf erhebliche Großzügigkeit des Druckers zurückzuführen, da er die Auflage bereits gedruckt hatte, jedoch davon zurücktrat und den Prozess nicht weiterführte. Danach war ich genötigt, mir eine andere Druckerei zu suchen. Das nahm wieder, wie bereits im Jahr zuvor, derart viel Zeit in Anspruch, dass ich sonst wenig Kapazitäten hatte.

Das Buch wurde gleich anfangs des Jahres 2020 gedruckt, enthält 512 Seiten und ist in der Edition Metzel erschienen.

Categories: 2019

Kleinbauarbeiten

Das Lexikon der Bienenkunde führt – wie im Katalog erwähnt – einen eigenen Begriff, der sich Kleinbauarbeiten nennt. Darunter subsummiert es alle Arbeiten am Wachsbau, die von einzelnen Bienen verrichtet werden. Das verwunderte mich, da ich bislang nicht davon gehört hatte. Das Lexikon hingegen nennt zahlreiche Beispiele. Direkt zitiert sagt es: „ … umfassen alle jene Bauarbeiten, die außerhalb der Bautraube verrichtet werden, wie die Verdeckelung der Brut- und Honigzellen, Zellrandarbeiten wie Verlängerung, Verkürzung und Randverdickung, Auf- und Abbau von Weiselnäpfchen, kleinere Ausbesserungsarbeiten und gelegentlicher Bau von verbindenden Stützpfeilern von Wabe zu Wabe.“ Das Besondere ist, wie ich fand, dass die einzeln arbeitenden Bienen kein Wachs hervorbringen. Sie benutzen bereits vorhandenes, das sie bei Gelegenheit abtragen. überschüssiges wird deponiert. Meine Arbeit im Atelier vollzieht sich oft nach diesem Muster. Ich sitze dort und lese verwandte Texte, mache mir Gedanken, fertige ein paar Papierarbeiten, ohne sie zu einem größeren Projekt ausbauen zu wollen, und hefte sie an die Metallwand hinter mir. Es ist eine Form der langsamen Anhäufung. So erstreckt sich dasselbe Prinzip über Jahre hin. Häufig kann den einzelnen Arbeiten, falls sie nicht explizit datiert sind, nicht einmal eine Jahreszahl zugeordnet werden.

Kommunikationsuniversum

Entwurf: Fingerabdrucksensor zum Entsperren von Bienenstöcken

Categories: 2020

Bienen summen

Aufnahme im Rosengarten am Schyrenbad, München

Dass ein Schwarm gefallen ist, bemerkt man gewöhnlich erst dann, wenn man in einen Stock hineinschaut und ihn halb leer vorfindet. Im Übrigen sind meine Aufenthalte im Rosengarten vergleichsweise kurz, was die gesamte Spanne einer Woche angeht.

Und nach spätestens drei Tagen ist der Schwarm ohnehin über alle Berge. Die Bienen suchen sich einen neuen, meist entfernteren Ort.

Falls man sich nicht gerade in der Nähe aufhält, bekommt man von einem Schwarm kaum etwas mit. Das zusätzliche Problem im Rosengarten, wo meine Bienen stehen, sind die zahlreichen hohen Laubbäume, die die Kästen umstehen. Ein weit oben oder weit außen (oder beides) hängender Schwarm, wird kaum bemerkt, da er dort ruhig und gleichmäßig vor sich hin brummt. Ohnehin würde ich ihn dort kaum fangen können. Ich habe halbe Tage damit verbracht, Schwärmen hinterher zu jagen, sie einzufangen oder sie endgültig preiszugeben. Ich habe Leitern aneinander gebunden, bin in Bäumen weiter hinauf gekraxelt, als mir lieb war oder stand vor Schwärmen, die sich um unzählige kleine Äste herumgewickelt hatten. Ich stand in Bäumen, deren Äste kostbar waren, da die Bäume selten waren, und man insofern nichts abzwicken durfte.

Wichtig ist, das man die Königin erwischt. Ist das nicht der Fall, schwingen sich die vorgeblich gefangenen Bienen ohnehin sofort wieder auf – und je öfter man sie behelligt desto ungeduldiger werden sie. Umgekehrt hatte ich auch ganz einfache Situationen. Der Schwarm, von dem ich dann die Tonaufnahme gemacht habe, hing beispielsweise in Kniehöhe. Ich ließ ihn in den Stock krabbeln und das wars.

Falls es sehr heiß ist und die Bienen dringend Kühlung benötigen, hockt jeweils eine Vielzahl von ihnen außen vorne an den Stöcken. Man nennt das: Die Stöcke haben einen Bart. An einem Tag bemerkte ich, dass an einem der Stöcke, die einen Bart hatten, weitaus mehr Bienen saßen, als ich vermutet hatte. Daher kam ich auf die Idee, dass sich einfach ein Schwarm hinzugesellt haben könnte. Das war allerdings kaum nachzuprüfen. Schließlich steckte ich meine Hand in die Bienentraube. Frisch geschwärmte Bienen stechen kaum.

Categories: 2021

hic sunt leones

Das Buch Die Sprache der Bienen von J. Tautz erschien im Jahr 2021. Ich stieß darauf und kaufte es mir sofort, da ich glaubte, darin seien zahlreiche Fragen zur Bienenkommunikation, die sich in mir angesammelt hatten, endlich beantwortet worden. Beispielsweise hatte ich angefangen, mir über Phänomene Gedanken zu machen, die bei den Bienen als Fehlleistungen eingestuft werden. Dazu gehört explizit das „Verfliegen“. Eine Biene fliegt „versehentlich“ in einen anderen Stock, bringt Nahrung mit und wird eingelassen, bringt womöglich aber auch Krankheiten mit beispielsweise die gefürchtete Varroamilbe. Eine gegensätzliche Deutung, die ich in Betracht zog, war dass auf diesem Weg Informationen ausgetauscht werden. Auf dieselbe Weise gelangte ich zu mehreren offenen Fällen. Einer betrifft den Informationsaustausch von Stöcken, die am selben Bienenstand stehen. Es heißt, dass sie voneinander unabhängig sind. Meine Frage ist, ob es Bereiche gibt, in denen sie als Ganzes agieren. Doch bereits die Befruchtung einer Königin aus dem einen Volk durch eine Drohne aus einem anderen Volk, muss als Austausch genetischer Information gesehen werden. Auf diese Weise summierten sich nicht nur Fragen, sondern sie hätten auch in eine Ordnung gebracht und solide beantwortet werden müssen. Für mich ist Wissenschaft hier nicht Selbstzweck, wie ihr gelegentlich unterstellt wird. Ich erwarte Antworten.

Nachdem ich das Buch durchgearbeitet hatte, war ich zunächst enttäuscht. Die meisten meiner Fragen blieben unbeantwortet. Der Titel „Sprache“ erschien mir maßlos überzogen. Zudem fand ich heraus, dass Herr Tautz mittlerweile emeritiert worden war. Allerdings enthielt das Buch zahlreiche neue Erkenntnisse sowie Neudeutungen oder Umdeutungen zum Bienentanz und den fast ein Jahrhundert dauernden Querelen darum. Dass Bienen so genannte Tänze vollführen, wurde bereits von Aristoteles beobachtet. Dass darin eine Sprache verborgen ist, wurde von Karl von Frisch in den Zwanzigerjahren des Zwanzigsten Jahrhunderts näher beobachtet und erforscht und trug ihm viele Jahre später einen Nobelpreis ein. Nun gibt es Befürworter einer sehr engen Sichtweise, die glauben, eine junge Suchbiene werde durch die tanzähnliche Bewegung einer älteren Biene auf dem Wabengrund zur Futterquelle geschickt. Berücksichtigt man, wie klein Bienen sind und wie weit sie fliegen, wird diese These ins Absurde gerückt. Ein Winkelgrad Abweichung beim Tanz bewirkt in einer Entfernung von 3 km mehr als 50 m Unterschied. Der Durchmesser des Kreises, innerhalb dessen sich die Vortänzerin bewegt, beträgt aber kaum 5 cm. Diese gehäuften Unmöglichkeiten geben Gegnern von Karl von Frischs Entwurf reichlich ablehnende Argumente. (An dieser Stelle lugt ein Stück Wissenschaftsgeschichte in den Raum.) Das geht bis dahin, dass eine ganze Schule um einen heutigen Wissenschaftler den Bienentanz als Informationsweitergabe ganz ablehnt und ihm eine andere, wenngleich noch nicht bekannte Funktion zumisst.

Herr Tautz präsentiert in seinem Buch ein neues dreistufiges Modell, mit dem beide verfeindete Schulen vereint werden können. Herr Tautz hat – elegant, wie ich finde – die beiden bislang unvereinbaren Erklärungsweisen verbunden, indem er in die Mitte einen neutralen Raum gesetzt hat. Der kann von beiden Parteien nicht betreten werden. Herr Tautz leistet sozusagen die Arbeit eines Mediators. Anfangs gibt es weiterhin den Bienentanz, mit dessen Hilfe junge Sammelbienen in eine ungefähre Richtung geschickt werden. Am Schluss finden die Bienen mithilfe von Duft und Farbe sowie durch die Unterstützung älterer Bienen zur Blüte. Am Anfang steht das Schicken, am Ende das Locken. Dazwischen liegt ein Suchraum, der sich bislang nicht erforschen lässt. Das hängt, wie Herr Tautz ausführt, damit zusammen, dass die bisherigen Messverfahren nicht weit genug entwickelt sind. Herr Tautz macht sich die Zeit zunutze, er verschiebt die Aufklärung in die Zukunft. Letztlich geht das Modell aber weiter. Es setzt dorthin, wo Unwissenheit herrscht, das Unbekannte. Es öffnet sozusagen ein Feld für Spekulationen. Das erinnert mich an frühe Landkarten, auf denen bislang unbekannte Gebiete zwar umgrenzt waren, deren ungefähre Form und Größe man also kannte, die im Inneren jedoch nichts enthielten. Manchmal stand als Platzhalter in solchen leeren Flächen der lateinische Spruch: hic sunt leones (hier sind Löwen). Das ist ein Hinweis auf die Gefahr, die vom Erforschen ausgeht. (Manchmal lebten in den unerforschten Arealen auch wirklich Großkatzen.) Während das Wissen dann wieder ein ungefährliches Fahrwasser ist. Ähnlich steht es vielleicht um den betreffenden Bereich in der Bienenkommunikation. Mit dem Suchraum hat Herr Tautz sowohl eine Verlockung geschaffen, als auch ein Gefahrenschild aufgestellt. Welcher Wissenschaftler möchte nicht in den bisher unentdeckten Bereich hineinschauen – und sich damit hervortun – oder scheitern?

Professor Tautz, langjähriger Leiter der bee-group an der Universität Würzburg, weltweit anerkannter Bienenforscher, wirft Karl von Frisch vor, hauptsächlich die Vorgänge im Bienenstock studiert zu haben, was gleichzeitig bedeutet, von Frisch habe zu wenig untersucht, wie sich Sammlerinnen draußen verhalten, wie dort Informationen übermittelt werden und so weiter. Herr Tautz macht dann allerdings das gleiche. Zwar fördert er unzählige neue Forschungsergebnisse zutage, die von Frisch nicht erkennen konnte, weil die Messgeräte dafür noch nicht existierten und er sich häufig auf das bloße Auge verlassen musste, lässt dann aber die Vorgänge im Feld weitestgehend außer acht. Wahrscheinlich ist die Beliebtheit des Bienenstockes als Untersuchungsort in diesem Fall seiner Immobilität geschuldet. Flöge der mit den Bienen davon, wäre man beim Studium von Biene & Blüte längst weiter. „Warum in die Ferne schweifen …“, schrieb Deutschlands Rockstar. Herr Tautz dehnte den so genannten Suchraum, mithin das Unbekannte, bis ins Äußerste, bei ihm endete er quasi einen halben Meter vor der Blüte.

In der Bildhauerei kann ein unbestimmter Raum beziehungsweise Unbestimmtheit (Indeterminacy) eine Steilvorlage sein.

Categories: 2022

Das kleinste Element

Ein großes Projekt, das ich über mehrere Winter hinweg betrieben habe, besteht aus einer Sammlung von Karteikarten. Ich hatte im Zuge einer großen Ausstellung im Oktober 2021 einen Vortrag über Bienen & Kunst gehalten (Babylonische Sprachverwirrung). Es ist das Spannungsfeld, in dem sich meine künstlerische Arbeit bewegt. In dem Vortrag geht es um die Kommunikation der Bienen mit uns Menschen. Doch schon während ich daran schrieb, engte mich dessen Rahmen ein. Ich erwischte mich dauernd, wie ich mich vor dem Rechner herum drückte und den Text kürzte und umschrieb. Selbst spät abends vor dem betreffenden Tag saß ich noch dran.

Ein paar Tage später, als ich meine Unzufriedenheit zu ergründen versuchte, kam mir der Einfall, einen Vortrag bis auf seine einzelnen Bausteine, auf das atomos, die Antike nennt es: das kleinste Element, herunter zu brechen. Dadurch kann ich ihn gemäß dem Bedarf umformen. Ich begann, einzelne Karteikarten anzulegen: Bienenkunde, Interviews mit Künstlern, Pflanzenkunde, diverse Schriftsteller, Systemtheorie, Klimafragen und inzwischen gibt es sogar noch ein paar Karten über Pilze. (Es gibt übrigens auch eine Abteilung, worin es hauptsächlich um das neue dreistufige Erklärungsmodell zur Bienenverständigung geht. Darin wird auch die Tanzsprache neu bewertet.) Mittlerweile ist das Ganze auf etwa 2000 Karteikarten angewachsen, aber die Anzahl ist natürlich nicht begrenzt. Ich ging zunächst einfach alle Bücher durch, die bei mir im Regal stehen, sowie einiges, das ich im Netz fand, und entnahm einzelne Stücke. Dazu kommen natürlich eigene Texte. Letztlich fälle ich ein subjektives Urteil. Was ich für wichtig halte.

Zusätzlich müssen eigene Sätze auch die Funktion haben, die starren Elemente wie Gelenke zu verbinden. Kupplungsstücke.

Über Bienen gibt es inzwischen haufenweise Bücher, daraus kann man gar nicht genug zitieren, aber ich wollte es auch nicht übertreiben und beschränkte mich auf ein paar populäre Themen wie beispielsweise den Bautrieb oder das Stechen.

Nicht vergessen werden darf die Pflanzenkunde. Die stand für mich am Anfang. Sie kam in meiner persönlichen Entwicklung vor den Bienen und sie hängt allgemein mit ihnen eng zusammen. Das Eine kann ohne das Andere nicht existieren. Der pflanzenkundliche Teil ist noch im Aufbau. Aber genau darum handelt es sich: um eine dynamische Kartei, und ich muss mich als so etwas wie einen DJ verstehen. Pflanzenkundliches kann ich präsentieren zu Klee, Veilchen und Orchideen. Zu mehr bin ich noch nicht gekommen.

Wie findet die Biene die Blume?

Categories: 2023

Gelber als Gold

Gemeinschaftsausstellung in der Galerie ERES-Projekte, München

Der Galerieraum, in dem die Ausstellung stattfand, liegt im Museumsviertel, direkt gegenüber des Museums Brandhorst, auf der anderen Straßenseite im Erdgeschoß eines Wohnhauses, das Sep Ruf errichtet hat. Dort befinden sich mehrere Galeriedependancen versetzt zueinander. Sie wirken wie Schubladen mit gläsernen Fronten, die von unten in ein Puppenhaus geschoben sind. Ein Freund, der Architekt ist, hatte in diesem Haus gewohnt und er war nicht glücklich gewesen, als man ihnen den Museumsklotz mit seiner stumpfen Architektur vor die Nase gesetzt hatte.

Den ganzen Sommer über fand ein so genanntes FlowerPower-Festival in München statt. Die regionale Bewegung trägt den albernen Untertitel: München im Blütenrausch. Daran gliederten sich eine Menge Galerien an. Aber nichts davon ist provokant. Mir war nicht klar, was man mit den amerikanischen Sechzigerjahren, auf die sich der Titel bezieht, hier erreichen wollte. Es fühlte sich an wie das Revival eines Revivals eines Revivals, ein zu oft und über Kontinente hinweg wiederbelebter Körper. Es kam mir vor wie eine Schlange, die man daran gehindert hatte, sich zu häuten.

Und ich dachte an das Wattstax-Festival aus dem Jahr 1972, bei dem Isaac Hayes, der an jenem Tag seinen dreißigsten Geburtstag beging, und Rufus Thomas, Carla Thomas, die Staple-Singers, die Bar-Kays und viele andere inmitten eines Sportstadiums in Los Angeles auf einer Bühne standen. Reverend Jesse Jackson kündigte die Sänger an. Dieses Benefiz-Konzert bezog sich auf die Unruhen in der Afro-Amerikanischen Gemeinde in Watts im Jahr 1965. Die Plattenfirma Stax-Records hatte dafür ihre Berühmtheiten versammelt.

Es gibt einen wichtigen Dokumentarfilm darüber. Er beginnt mit dem nächtlichen Aufbau der Bühne. Er zeigt die Menschen, die ins Stadion schlendern, tanzen und sich gelegentlich von der Musik von ihren Plätzen fegen lassen, landet bei Rufus Thomas in kurzer rosa Kleidung und endet bei dem zuletzt eintreffenden Isaac Hayes, der in einem zugezogenen Umhang wie ein Boxer auf die Bühne steigt und ihn dort fallen lässt, und darunter kommt ein Umhang aus goldenen Ketten zum Vorschein. Isaac Hayes steht auf der Bühne und verneigt sich zeremoniell nach allen Seiten.

Dazwischen zeigt der Film den Stand-Up-Comedian Richard Pryor, der an einer Theke sitzt und Witze reißt und erzählt, wie er als Kind von weißen Polizisten Handschellen angelegt bekommen und den Befehl zugebrüllt bekommen hat, sich mit erhobenen Armen an eine Wand zu stellen. Nur war da keine Wand und seine Hände zitterten vor Angst derart, dass die Handschellen, die viel zu groß waren, klirrend zu Boden fielen. Und Jugendliche werden dabei gezeigt, wie sie lachend in einem Raum sitzen und albern und sich aufführen, als seien sie Gangster und Pimps.

Das Festival galt als das „Schwarze Woodstock“.

Der Dokumentarfilm kam 1973 heraus

Categories: 2023