kunstherberge birkenau
Gemeinschaftsausstellung, München
Im Jahr 2011 nahm ich an der Ausstellung kunstherberge birkenau Teil. Die Birkenau ist eine Siedlungs- und Straßenbezeichnung im Stadtbezirk Untergiesing, sagt uns Wikipedia, und weiter: „Das Gebiet zwischen Auer-Mühlbach und Isar war eine Lohe, also eine mit Birken bewachsene Wiesenlandschaft, die zwischen 1840 und 1845 bebaut wurde.“ (Wikipedia widmet dem gleichnamigen KZ einen eigenen Artikel.) Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Siedlung bereits nach München eingemeindet. Noch heute finden sich dort vereinzelt nur ebenerdige Wohnhäuser aus der ursprünglichen Bebauung.
Um zwei dieser Häuser handelte es sich. Sie hielten sich gerade noch so an den Nachbarhäusern fest und mussten abgerissen werden. Nach dem Titel lautete das Thema (womöglich geschichtsblind) recht simpel Vergänglichkeit und Werden. Der Organisator arbeitet gelegentlich mit einem Architekten zusammen, und der war für die neue Bebauung zuständig. Innen waren die Häuser völlig verbaut, sie waren dunkel und muffig, die Böden bestanden teilweise aus uraltem, gammligem Teppich, die Wände waren hinter den Tapeten feucht und in den Ecken schimmlig. Mir war lange nicht klar, was dort passend war. Dann bezog ich mich auf die Bienen. Sie bilden Innenräume, indem sie dort lebendige Strukturen erschaffen.
Die Arbeit, die ich anfertigte, besteht aus einer großformatigen, aber zarten, nur mit Bleistift gezeichneten Schrift über vier Offset-Bleche hinweg. Die Aluminiumbleche hingen dort wenige Zentimeter von der Wand entfernt. Die Lettern entstammen der Schriftfamilie Stencil. Ähnliche Typen werden häufig in dunklem Grün auf den grauen Grund von Schlachtschiffen gepinselt. Die Buchstaben werden von Stegen gehalten und sind dazu gedacht, ausgeschnitten zu werden. Der auf die Bleche geschriebene Satz lautete: con ape sì vola. In einer endgültigen Hängung sollen sie den ausgewählten Satz hinter sich mit Licht auf die Wand schreiben. An der Ausstellung nahmen zahlreiche Künstler teil, die ich kenne. Sie wechselten sich im Laufe einer Reihe von Eröffnungen ab und ihre Aufgabe war, die jeweiligen Räume zu bespielen. Den Platz, an dem ich ausstellen sollte, bekam ich allerdings zugewiesen. Er lag gleich neben einer Tür. Die Besucher traten ein und drängten sofort an den Platten vorbei. Die Arbeit wirkte luftig und martialisch genug, um etwas zu bedeuten. Und obwohl sie fast vier Meter breit war, würdigte keiner sie eines Blickes. Die dünne Bleistiftschrift darauf war zwar schwach zu erkennen, aber keiner besah auch nur das Ganze. Ich zweifle nicht, dass vorwiegend ein plakatives Auftreten wahrgenommen wird. Aber die gierige Art, wie die Besucher sich vorbeischoben, gab mir zu denken. Seltsamerweise bestätigte es mich in der Ansicht, dass es falsch war, an diesem Ort weiterzugehen, als bis zu einem vorläufigen Stadium. Ich musste mich deshalb einiger Kritik erwehren. Doch es wurde meine Art, das Wort Werden aufzufassen. Die Arbeit selbst sollte unfertig sein.