Meister, die Imme ruft
Die Blätter, obwohl es wenige sind, dienten als Vorentwürfe zu einer großen Arbeit. Sie sind vorsorglich so gehalten, dass sie auch eigenständig durchgehen können. Wahrscheinlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt bereits, dass ich kaum Zeit erübrigen konnte und mir für ein großes Projekt die Puste ausging. Außerdem war ich mit anderen Belangen beschäftigt. Am liebsten wäre ich den ganzen Tag in der Hängematte gelegen. Als ich die Skulptur entwarf, hatte ich den Rosengarten selbst im Sinn; wie man sagt: ein Heimspiel. Dort sollten einige Stahlmasten aufgestellt werden, dann wollte ich ausgemusterte, ehemals ostdeutsche, blecherne Lautsprecher auftreiben, solche, die der Infiltration durch sozialistische Parolen gedient hatten, und sie daran schrauben. Und aus denen sollte Bienensummen erschallen, live aus einem meiner Stöcke dort übertragen.
Um die Genehmigung durch die Stadt beziehungsweise das Baureferat, Abteilung Gartenbau machte ich mir weniger Sorgen. Die Stadt zeigt sich Konzepten dieser Art durchaus aufgeschlossen. Allerdings hätte ich Geld benötigt, ein auf das Vorhaben bezogenes Stipendium, und das gab es nicht. Das Projekt war nur vorübergehend gedacht. Es sollte vielleicht einen Sommer umspannen.
Wilhelm Busch gilt als Großvater oder Urgroßvater des modernen Comics. Er wurde als Kind einem Onkel, der Pfarrer und Imker war, zur Erziehung anvertraut. Dort erhielt er Privatunterricht. In Buschs Bildergeschichten sind die Bienen oft am Rande eingeflochten. Dann wird mit weitgehender Detailkenntnis erzählt. Einmal sind sie auch Hauptthema. Die Bienen sind jedoch vermenschlicht. Die erwähnte Geschichte ist übrigens weniger sadistisch, als die meisten seiner sonstigen, vielleicht weil die Bienenstiche den Part der Grausamkeit übernehmen: Es geht um einen Imker namens Dralle, der nachmittags einschläft. Währenddessen schwärmen seine Bienen und lassen sich genau auf jenem Baum nieder, unter dem er döst. Schließlich wird er durch den Ruf des Nachbarjungen rüde aufgeweckt, versucht die Bienen einzufangen, die Leiter bricht und so weiter. Die Bienen fliegen fort und er verfolgt sie durch die gesamte Ortschaft bis in den Wald und zurück.
Busch studierte Malerei an den Akademien in Düsseldorf, Antwerpen und München, verfolgte sein Studium aber planlos und ließ sich hauptsächlich treiben. Er hatte im Sinn, ein ernsthafter Kunstmaler zu werden, erreichte aber weder die nötige Anerkennung, noch brachte er das erforderliche Durchhaltevermögen auf. Als Zeichner seiner derben (manchmal antisemitischen) Bildgeschichten erlangte er Berühmtheit und kam schließlich zu Wohlstand. Im Jahr 1857, offenbar als es für ihn in beide Richtungen nicht zufriedenstellend verlief, wollte er alles hinwerfen, nach Brasilien auswandern und Bienen halten.
Ich hielt die Konstellation, dass man nachmittags unter einem Baum schlummert und über einem Bienensummen ertönt, für beschaulich.
Die nacherzählte Geschichte ist Schnurrdiburr oder die Bienen. Auch da geht es nicht zimperlich zu. Doch Die kleinen Honigdiebe, die einen Korb umgekippt haben, um Honig zu stehlen, bekommen enorme Stachel vom Schmied mithilfe einer Kneifzange aus den Backen gezogen. Ihre Gesichter sind zu unförmigen Klumpen angeschwollen.
Die Anekdoten entstammen annähernd der gleichen Zeit wie der Struwwelpeter des Arztes und Psychiaters Heinrich Hoffmann. Nicht konformes Verhalten von Kindern zeitigte maßlos drastische Folgen.